Theatertipps: Staatstheater Hannover
DIE GEZEICHNETEN
19.5.2019 | Franz Schrekers Werk ist in einer bemerkenswerten Aufführung in der Staatsoper Hannover realisiert worden. Unter der musikalischen Leitung von Mark Rohde und in der Inszenierung von Johannes von Matuschka wurden 'Die Gezeichneten' für die Bühne realisiert. Christof Hetzer schuf ein phantastisches Bühnenbild, das auf realistische Elemente weitestgehend verzichtete und Florence von Gerkan entwarf die Kostüme. Auf einer Weltkuppel spielte sich das Geschehen um Hass, Liebe und Macht mit wenigen Elementen und Requisiten ab. Darüber wölbte sich eine in der Mitte geöffnete Decke. Von dort strömten betörende Düfte auf die die Inselbesucher, die sich so zu erotischen Spielen verlocken ließen..
Robert Künzli ist der körperlich entstellte Alviano, der mit Gehhilfen und einem angedeuteten Buckel eindrucksvoll sein Leiden und seine Liebe zu Carlotta zeigte. Mit großer sicherer Stimme und einem hellen klaren Tenor war er ein idealer Partner für Karine Babajanyan, die mir ihrem großen lyrischen Sopran immer ansprechend schön die begehrenswerte Carlotta in Spiel und Stimme verkörperte.
Brian Davis ist der Gegenspieler Alvianos; er setzte seinen großen kräftigen Bariton beherzt mit intensivem Spiel ein und man konnte verstehen, warum Carlotta zwischen den beiden Verehren sich schwer entscheiden konnte.
Aus dem 21-köpfigen Ensemble seien stellvertretend Gala El Hadidi (Martuccia), Stefan Adam (Herzog) und Yannick Spanier (Calvi) erwähnt, die mit ihrem Beitrag zur hervorragend musikalischen und szenischen Realisierung der Aufführung beitrugen.
Alle waren auf der rund gewölbten Bühne immer im Mittelpunkt des Geschehens und wurden durch die Regie zu intensivem Spiel angeleitet. Auch der Einsatz des Chores war immer präzise geführt und machte die erotischen Aktionen auf der Insel Elysium zu einen unvergesslichen Moment. Daß das ohne profan eindeutige Aktionen geschah, ist eine besondere Leistung der Regie.
Das Niedersächsische Staatsorchester Hannover schwelgte präzise mit Schrekers Partitur und erbrachte den Beweis, daß dieses Werk auf der heutigen Musiktheaterbühne nicht mehr wegzudenken ist.
Das Publikum zeigte sich begeistert und sparte nicht mit Beifall; wann kann man eine selten gespielte Oper schon so optimal erleben.
KÖNIG KAROTTE
6.1.2019 | Allerorten wird in diesem Jahr Jacques Offenbachs 200. Geburtstag auf den internationalen Bühnen gefeiert, zu Recht. Gemeinsam mit seinem Textdichter Victorien Sardou entwickelte Jacques Offenbach 1872 'Le Roi Carotte', in der damals einmaligen Kombination 'Opéra-bouffe-féerie', in der gesellschaftliche Anspielungen in heiterer bouffe-Handlung mit optischer Vielfalt einer féerie mit großem Ensemble verknüpft wurden. Das hat beiden bei der Arbeit so viel Spaß gemacht, daß ein 6-stündiges Werk entstand; sicherlich war das ein Grund, weshalb im Laufe der Zeit 'Le Roi Carotte' von den Spielplänen verschwand.
Dazu kommt eine von Ideen überbordende Handlung, mit großem Theaterzauber, die eine politische Welt mit ihren Herrschaftsformen zur Diskussion stellt, die auch heute erschreckend aktuell erscheint.
Prinz Fridolin lebt in den Tag hinein, möchte die ihm zugedachte Prinzessin Kunigunde erst gar nicht kennen lernen und erfreut sich seines jugendlichen Daseins; seine Herrschaft ist korrupt. Da gibt es den Freund Robin mit magischen Kräften, der den Prinzen zu einem verantwortungsvollen Herrscher machen möchte.
Aber da mischen weitere Zauberkräfte mit. Die Hexe Kalebasse sorgt dafür, daß Fridolin entmachtet wird. Dank ihrer Zauberkunst aktiviert sie aus dem bodenständigen Erdreich König Karotte mit seinen Gemüsestab; durch eine Gemüserevolution übernimmt er die Macht im Staat.
Prinz Fridolin macht eine phantastische Reise durch die Welt; seine Abenteuer prägen ihn. König Karotte ist alles andere als eine akzeptable Alternative zu Fridolin. Fridolins alte Minister stehen dem neuen König zwar zur Seite, wechseln aber schnell schon mal die Seiten zur Opposition, wenn es die Situation erfordert. Der Karotten-König läßt sich vom weiblichen Geschlecht umgarnen und nascht lieber Marmelade, als verantwortungsvoll sein Amt auszuüben, er welkt. Das Volk jubelt 'zerschlagt ihn zu Brei, dann ist vorbei die Tyrannei' und König Karotte wird gestürzt.
Dank seiner vielen mittels Zauberkräften bestandenen Abenteuer gelangt Fridolin wieder auf seinen alten Thron; zur Prinzessin Kunigunde hat sich eine echte Liebe und Freundschaft entwickelt.
Für die Kooperation mit der VolksoperWien und der StaatsoperHannover hat Jean Abel 2017 eine deutsche Übersetzung verfaßt. Sie bringt dem Zuhörer und Zuschauer den aktuellen Vergleich zur Jetztzeit sehr nahe; die gute Textverständlichkeit der Protagonisten hilft, der komplizierten Handlung zu folgen.
Die Inszenierung von Matthias Davids, die Choreographie von Kati Farkas, das Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau und die Kostüme von Susanne Hubrich verzichten auf aktuelle Bilder von heute und machen den 'König Karotte' mit seiner phantasievoll-bunten klaren Optik zeitlos spannend.
Theater auf dem Theater wird als Spielform gewählt. Das fängt schon vor der Ouvertüre an, als die Sänger ratlos auf der leeren Bühne auf den Dirigenten warten.
Es gibt einen fulminanten Wechsel von großen choreographierten Gruppen-Tableaus und ruhigen Bildern. Da steht nie irgendjemand rum, sondern es passiert immer was. Die genaue Personenführung hilft, das vielschichtige Geschehen zu verfolgen.
Die Orte des Bühnengeschehens wechseln sichtbar ohne große Umbaupausen und geben der Aufführung Tempo.
Die reine Aufführungszeit in Hannover liegt bei ca. 2h40; im Vergleich zur Ur-Fassung hat man kräftig am Werk gestrichen. Handlung und musikalischer Ablauf sind in Hannover verständlich und wirkungsvoll.
Valtteri Rauhalammi ist für die musikalische Leitung verantwortlich und meistert diese Mammutaufgabe bravourös. Das Niedersächsische Staatsorchester spielt präzise, locker und leicht und begleitet den Chor der Staatsoper Hannover und die 20 besetzten Solisten feurig und zurückhaltend, je nach Bedarf. So wird die schwungvolle Musik von Jacques Offenbach mit seinen vielen zündenden und lyrischen Melodien ebenfalls zum Ereignis.
Fridolin XXIV. wird von Eric Laporte ideal gesungen und gespielt. Sein großer lyrischer Tenor wirkt nie angestrengt und hat in allen Lagen Schmelz. Für seinen königlichen Gegenspieler hat Offenbach eine noch höhere Tenorlage notiert. Sung-Keun Park ist König Karotte und meistert diese Rolle auch musikalisch perfekt.
Fridolins zaubernder Freund Robin gestaltet Josy Santos mit ansprechendem Mezzo. Ihre zaubernden Mitspieler, die Hexe Kalebasse und der Zauberer Quiribibi sind mit Daniel Drewes eindrucksvoll und immer präsent aktiv.
Stella Motina als Prinzessin Kunigunde kann ihren schönen Sopran auch in den mit hohen Koloraturen gespickten Arien glanzvoll einsetzen. Bei den königlichen Ministern behauptet sich Frank Schneiders als Polizeichef in einer Arie und in den Ensembles mit seinem durchsetzungsfähigen Bass.
Solisten und Chor werden von der Statisterie durch präzises Agieren ergänzt. Der Bewegungschor gestaltet die königlichen Gemüsebegleiter und tanzt als Ritter in eisernen Rüstung.
Die Besucher im vollbesetzten Opernhaus zeigen sich begeistert von der Leistung aller auf der Bühne und im Orchestergraben. Viele jugendliche Zuschauer wurden zu einem Offenbach-Fan, während gestandene Opernbesucher auch dieser Form von musikalischer Unterhaltung viel Positives abgewinnen konnten.
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