Theatertipps: Deutsche Oper Am Rhein

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JENUFA

4 - 2024 |Im alten ehrwürdigen Duisburger Haus habe ich schon oft starke Eindrücke mit auf den Nachhausweg genommen. Seien es von Sängern wie Varnay, Schnaut, Stewart, Hopf oder Schmidt, oder bei meiner letzten Lohengrin-Aufführung, als es auf das Brautbett regnete und ich auf die Gralserzählung verzichten mußte.
Janaceks Meisterwerk Jenufa steht nun auf dem Spielplan in einer ausgefallenen Neuinszenierung von Tatjana Gürbaca. Unter der musikalischen Leitung von Axel Kober spielten die Duisburger Philharmoniker perfekt auf und machten ihren phantastischen Ruf alle Ehre.

Henrik Ahr baute für die Inszenierung ein Bühnenbild, was nicht immer eine Hilfe zur Erklärung der Handlung war. Es gab einen hölzerner Dachgiebel mit einer Treppe, die 'himmelwärts' in die Höhe ragte; von dort oben gab es auch Auf- und Abtritte. Ansonsten tummelte man sich auf der kleinen Fläche vor den Stufen, aber auch dahinter.

Gesungen wurde von allen Beteiligten aller bestens. Jacquelyn Wagner in der Titelrolle setzte ihren schönen Sopran klangvoll ein. Selten, daß die beiden Tenorrollen Stewa (Jussi Myllys) und Laca (Giorgi Sturua) gleichwertig stark mit herausragenden Sängern zu sehen und zu hören sind. Rosie Aldrige ist eine stimmschöne Küsterin.

Die Inszenierung von Tatjana Gürbaca versuchte, eigene Ideen in der ansonsten klaren Handlung zu verdeutlichen. Die Zinkwanne als Bettchen für Jenufas Kind war dann doch etwas wenig. Allem fehlte es etwas an Spannung.


KATJA KABANOVA

05.03.2022 |Im wunderschönen Theater Duisburg kann man eine mehr als sehenswerte Neuinszenierung von Leos Janáceks 'Katja Kabanova' erleben. Unter der musikalischen Leitung Axel Kober spielten die renommierten Duisburger Philharmoniker klangvoll auf.

Die Inszenierung von Tatjana Gürbaca zeigte im nüchternen Bühnenbild von Henrik Ahr die Geschichte von Katja, die mit ihrem Leben auf dem Land nicht glücklich wird. Es ist wieder die genaue, spannende Personenführung der Regisseurin zu loben, die die Konflikte der Handelnden verdeutlicht.

Sylvia Hamvasi singt Katja Kabanova mit großem, strahlenden Sopran. Besonders eindrucksvoll ist die Szene mit ihrer Stiefschwester Vavara (Anna Harvey). Da wird das Verhältnis von zwei Frauen zu ihrer Umwelt sehr anschaulich erzählt.

Matthias Klink ist Katjas angetrauter Mann Tichon, der sich im Verhältnis zu seiner herrischen Mutter, der Kabanicha (Eva Urbanová) nicht wohl fühlt. Daniel Frank gestaltet Katjas Liebhaber Boris mit heldentenoraler Stimme und einfühlsamen Spiel.

Gut im Ensemble behaupten konnten sich Cornel Frey als Vavaras Freund Wanja und Sami Luttinen als Kaufmann Dikoj, der mit der Kabanicha ein lustiges Spielchen treibt.

Die Tragik der Geschichte ist, daß die Gesellschaft weiterhin vor sich hin lebt, während Vavara für eine bessere Zukunft den Ort verläßt und Katja Kabanova Selbstmord begeht, weil sie an dem ländlichen Leben verzweifelt.

Das Publikum bedankte sich für diese spannende Aufführung mit kräftigem Applaus.


GÖTTERDÄMMERUNG

10-2018 | Das spricht schon für die Düsseldorfer Oper, wenn ich während meines bescheidenen Theaterlebens dort drei komplett andere Inszenierungen von Richards Wagners Ring erleben konnte. Sänger wie Astrid Varnay, Ludmilla Dvorakova, Gabriele Schnaut, Hans Hopf, Wolfgang Schmidt oder Thomas Stewart konnte ich auf der Düsseldorfer oder Duisburger Bühne erleben.

Georg Reinhardt und Kurt Horres waren die Regisseure, Heinrich Wendel und Andreas Reinhardt die Bühnenbildner. Da wurde auch die rheinische Theaterseele stark strapaziert, als in Kooperation der rheinischen Bühnen vor Düsseldorf der Horres-Ring in Köln seine Erstaufführung fand.
An dem Horres-Konzept wurde in den letzten Jahren aber so kräftig 'rumgeschraubt' , daß eine Neuproduktion überfällig war; diese wurde jetzt im Oktober 2018 mehr als erfolgreich fertig gestellt.

Dietrich Hilsdorf, Dieter Richter und Renate Schmitzer vollendeten nun den neuen Düsseldorfer 'Ring'. Eine stolze Leistung für ein Opernhaus und das Team, in zwei Spielzeiten Wagners Mammutwerk neu auf den Bühnen in Düsseldorf und Duisburg zur Diskussion zur stellen.

Für Regisseur Dietrich Hilsdorf steht der Mensch mit seiner Familie im Vordergrund der Erzählweise und er vermied eine zu offensichtlich politische Weltdeutung.

Im Rheingold sahen wir noch eine karge Varieté-Bühne. Kalter Beton und ein Hubschrauber waren Symbole einer kriegslüsternen Welt in der Walküre und im Siegfried.
In der Götterdämmerung wurde das Auge schon im ersten Bild versöhnt, wenn auf einem Gaze-Vorhang eine wunderschön romantische Rheinlandschaft zu sehen ist. Die drei Nornen erklären bei Kaffee und Kuchen das Weltgeschehen, während -etwas störend- die Kellner ihrem Beruf nachgehen.

Der Rest des Geschehens passiert auf dem Rheinschiff M.S. Wodan, das sich auf dem Boden der Hauptbühne auch bewegen kann. Dort dominiert optisch die Kajüte mit ihrer Treppe und am Ende des Schiffs der Flaggen-Mast.
Auf dem Hintergrund sieht man dazu eine auch sich bewegende Rhein-Landschaft, die die Schifffahrt illustriert. Im weiteren Geschehen verändert sich Dank Projektion der Hintergrund in große hallenartige Mauern. Alles dies gestaltet der Bühnenbildner Dieter Richter in einer großartig wirkenden Optik; der Malersaal der Rheinoper hatte zuvor was zu tun.
Die zeitlos gehaltenen Kostüme von Renate Schmitzer ergänzen das durchaus farbig gehaltene Bild, das durch die Mannen und Frauen ab dem II. Akt besonders bunt dominiert wird.

Hilsdorf erzählt die Handlung klar zurückhaltend. Seine Personenführung ist ohne große Operngesten verständlich. Gutrune verhindert, daß Hagens Vergessenstrank von Siegfried getrunken wird. Die Liebe zwischen beiden ist echt. Der Zwiespalt, in dem sich Siegfried im II. Akt befindet, ist entsprechend verständlich.

Der Auftritt von Mannen und Volk im II. Akt verlangt große Aktionen. Die M.S. Wodan hat Düsseldorf erreicht, wo Männer und Frauen in den Kostümen der karnevalistischen 'Roten Funken' agieren. Provokanter wäre es nur gewesen, wäre das Schiff in Köln gelandet und die Karnevalisten dürften ihr 'Stippeföttche' tanzen. In Düsseldorf durften die Funkenmariechen aber ihr tänzerisches Können mit Spagat zeigen.

Siegfrieds Mord geschieht auf kurzer Bühne vor einem gemalten Vorhang. Brünnhildes Gruß geschieht in Anwesenheit des trauernden Gunther auf dem Schiff. Dort im Hintergrund fällt Siegfried in die Tiefe, um später dort noch einmal warnend den Ring zu heben, als Hagen Ansprüche stellt.
Zum Trauermarsch bekommt der Flaggen-Mast der M.S. Wodan Bedeutung. Mannen hissen die Flaggen der historischen deutschen Geschichte, um sie dann sogleich dem toten Siegfried zu widmen.

Der Aufbau auf der M.S. Wodan hat sich leicht verändert. Der Treppenaufgang zum Dach ragt steil in den Himmel. Brünnhilde ist alt und weise geworden; sie entfacht im Finale echtes Feuer und schreitet die Treppe bis zur höchsten Stelle hinauf. Wie 'Germania' auf einem hohen Felsen überwacht sie nun die Welt.

Sängerinnen und Sänger der Düsseldorfer Götterdämmerung sind allesamt ausgezeichnet, so daß man nicht alle besonders würdigen muß.

Linda Watson als Brünnhilde gelingt es, ihre Bühnenerfahrung mit der Rolle auch in dieser Inszenierung voll zur Geltung zu bringen; auch wirkt die Partie für ihre große, schöne satte Stimme ohne hörbare Probleme klangschön.

Michael Weinius besitzt als Siegfried eine schöne, helle klingende, sichere und junge Stimme. Schade, daß dieser Klang nicht im Einklang zu seiner Optik steht. Da hat man das Gefühl, daß er sich eher einißt als einsingt.

Bogdan Baciu ragt mit seiner Gunther-Darstellung besonders heraus. Seine schöne große Stimme bietet eine strahlende Höhe und volle Tiefe; auch seine Bühnenpräsenz ist ausgesprochen angenehm.
Katarzyna Kuncio ist Waltraute. Mit langsamen Tempo präsentiert sie den Beginn ihrer Erzählung mit ergreifendem Wohlklang. Doch für die später benötigten dramatischen Momente entwickelt sie noch nicht die durchschlagende Kraft.

Axel Kober leitet die Düsseldorfer Symphoniker souverän mit meist schnellen Tempi, ohne die Gesangsstimmen zu übertönen. Die von den Bläsern bekannten Patzer bleiben nahezu aus. So kann sich der Klangrausch zu einer immer spannender werdenden Inszenierung entwickeln. Man darf nicht die Augen schließen; schließlich gilt es, die Geschichte am Rhein in dem wunderschönen Bühnenbild von Dieter Richter zu verfolgen.


DIE WALKÜRE

17.6.2018 | Im wunderschönen Duisburger Theater präsentiert die Deutsche Oper am Rhein nach einer Premiere im Düsseldorfer Haus meist alternative Besetzungen, die aufhorchen lassen.

Vor allem die männlichen Sänger-Darsteller ließen aufhorchen. Daniel Frank ist ein grandioser Siegmund in Stimme und Spiel, der auch seine schlanke Erscheinung positiv ins Geschehen einbringen kann. Sein Tenor klingt hell, klar und textverständlich schön; was will man da noch mehr.

James Rutherford verfügt über eine große hörenswerten Stimme, um die Höhen und Tiefen der Wotan-Partie wohlklingend zu gestalten. Seine darstellerische Präsenz wirkt bieder und unbeweglich; da muß die Kollegin ihm schon mal nach dem Knien beim Aufrichten helfen.

Wird das Einstands-Hojotoho nicht makellos präsentiert, ahnt man auch spätere Einschränkungen in der Rollengestaltung der Brünnhilde. Heike Wessels hat eine schöne Mittellage und Glanz in der Höhe; es fehlt ihr die Durchsetzungskraft für diese große Partie. Heike Wessels ist eine junge bewegliche Brünnhilde mit einem intensiven Spiel, die in diese Partie noch hineinwachsen wird.

Katarzyna Kuncio ist die Fricka mit einem fast zu schönem Mezzosopran. Da fehlen doch noch die gestalterischen Farben in Stimme und Spiel für Wotans Gegenspielerin.

Ein besonders großes Lob allen acht Walküren, die ich musikalisch und szenisch sehr homogen erleben konnte - szenisch auch Dank der Essener Spielleiterin Carolin Steffen-Maaß, die die Einstudierung des Walkürenritts übernehmen durfte.

Sarah Ferede war in Duisburg die Sieglinde mit hellem Sopran, die aber auch in den tiefen Lagen zu wenig Glanz bot. Ihr Bühnenpartner Lukasz Konieczny war ein optisch sehr präsenter Hunding mit angenehm leichten Bass.

Axel Kober muß mit den Duisburger Philharmonikern im Graben des Duisburger Hauses noch heimisch werden; vieles klang bei viel Elan sehr grobschlächtig. Die Duisburger Philharmoniker konnten aber vor allem in den leicht federnden Stellen der Partitur von ihrer Qualität überzeugen. Die Sänger waren meist textverständlich und so unterstützte die wunderbare Orchesterbegleitung das Geschehen auf der Bühne. Das Publikum zeigte sich begeistert.


SIEGFRIED

4-18 | Im Düsseldorfer Opernhaus geht es spannend und musikalisch hochwertig weiter mit der Ring-Inszenierung von Dietrich Hilsdorf. Dieter Richter baut hinter seinem Varieté-Bühnenportal eine modernd rostig wirkende Industriearchitektur mit all den Accessiores, die man im ersten Akt so zum Schmieden und Kochen benötigt. Im zweiten Akt dominiert im Hintergrund das Tor von Fafners Heim. Auf Schienen, die bis zum Portal reichen dampft dann eine riesig bedrohlich wirkende Lokomotive als 'Drache' nach vorne, in der sich der Riese verbirgt. Natur hat in diesem Raum nicht die Chance, sich auszubreiten. Zu Beginn des dritten Aktes ahnt man nur Brünnhildes Felsen durch eine geöffnete Tür. Der eiserne Vorhang des Hauses bildet den Hintergrund für Wotans Gespräch mit Erda und seinem Enkel. Ein schmales Sofa bietet eine Sitzgelegenheit, auf der sich später Mutter und Tochter kurz begegnen. Der Walkürenfelsen wird duch den abgestürzten Hubschrauber dominiert, in dem Brünnhilde auf ihre Erweckung wartet.

Die Inszenierung von Dietrich Hilsdorf ist erstaunlich unspektakulär. Sie besticht durch genaue Personenführung. Mime sieht sich auf alten VHS-Video-Aufnahmen Szenen von Früher an; der Kenner erkennt diese aus der 'Rheingold-Inszenierung' des Rheinoper Hauses. Der Waldvogel bleibt unsichtbar, sieht man von einem ausgestopften Tier ab, das schnell in einer Manteltasche verschwindet. Da muß die Regie auch nicht mehr viel dazu entwickeln, wenn die Dampflok als Drache speit; das wirkt.
Der opulente Hubschrauber wirkt für die ganze Siegfried-Brünnhilde Szene. Da kann die Regie sehr zurückhaltend die Entwicklung der Szene erarbeiten. Besonders hier helfen dem Regisseur die wallenden Kostüme von Renate Schmitzer; gilt es doch die großen Figuren der Sänger zu führen.

Familiäre Beziehungen stehen in der Geschichte um Siegfried im Mittelpunkt. Der eine will mehr über seine wirklichen Eltern wissen, der andere besteht auf seine Ersatzfunktion. Opa Wanderer sucht das Gespräch mit seinem Enkel, der zur Liebesbeziehung mit seiner Tante loszieht.
Da bietet es sich für den Regisseur an, daß auch Mutter Erda direkten Kontakt zu ihrer Tochter Brünnhilde hat. Nach dem Gespräch mit dem Vater ihrer Tochter verbleibt Erda lange Zeit in einem großen Tuch verhüllt auf der kleinen Bank sitzen. Als sich im späteren Gespräch mit Siegfried Brünnhilde auf diese Bank setzt, ergibt sich ein kurzer Blickkontakt zwischen Mutter und Tochter, ehe Erda die Szene träumerisch verläßt.

Axel Kober leitet wieder die Düsseldorfer Symphoniker zurückhaltend und dramatisch und läßt die Wagner-Partitur klar differenziert aufblühen. Hörbare Probleme bei den Bläsern sind ja nun international vorhanden; hier halten sie sich durchaus in Grenzen.

Michael Weinius gibt sein Debüt als Siegfried. Seine große kräftige Gestalt hilft ihm, diese Partie meist sicher mit schönem Tenorglanz zu füllen. Man hat selten das Gefühl, daß er seine Stimm-Kraft zurückhält oder diese ihre Grenzen erreicht. Leichte, lyrische und dramatische Momente werden von ihm in eine sichere, meist textverständliche Darstellung umgesetzt. Dabei helfen ihm Regie und Orchester.

Seine Partnerin im dritten Akt ist ihm auch optisch ebenbürtig. Mit großem warmen Sopran, der Tiefe und Mittellage voll ausfüllt, gelingt es Linda Watson, daß die Erweckungsszene musikalisch ein Genuß wird, selbst wenn wenige Spitzentöne nur anklingen. Zurückhaltend wird szenisch das Zusammentreffen der beiden gezeigt.

Die Nibelungen Alberich und Mime sind ein weiterer Höhepunkt dieser Neuinszenierung. Cornel Frey als Mime agiert und singt textverständlich phänomenal, hat er vor allem im ersten Akt genug mit seinen Partnern in seiner Industriehütte zu tun. Sein Körper wird nach seinem Bühnentod als Warnung vor Fafners Höhle an einem Seilhaken hoch aufgehängt.
Jürgen Linn ist ein lauernder Alberich, der seine schneidende Stimme stimmgewaltig einsetzt und so das Gespräch mit seinen Gegenspielern, seinem Bruder und dem Wanderer vor Ort, dominiert. Wenn man ihm zuhört, fallen dem Zuschauer sofort berühmte Kollegen ein.

Simon Neal ist wieder Wotan, der als Wanderer die Welt mit einem Fahrrad durchstreift und gelassen beobachtet, wie sich die Akteure in der auch von ihm verschuldeten Situation verhalten. Seinen hohen, wohlklingenden Bass-Bariton kann er immer textverständlich einsetzen. Die Szene mit Erda und Siegfried wird so zu einem musikalischen Genuß. Ist er in Aktion, dominiert er sie Szene.

Susan Maclean gestaltet die tiefe Altpartie der Erda sehr eindrucksvoll, in der neben einer satten Tiefe auch eine dramatische Höhe erwartet wird. Da sie in der Rheinoper auch als 3.Norn geplant wird, kann man jetzt schon gespannt sein auf diese hochdramatische Partie.

Elena Sancho Pereg kann ihren leichten Sopran für den Waldvogel textverständlich aus dem 'off' erstrahlen lassen. Thorsten Grümbels tiefer Bass wird -wie von Wagner vorgesehen- zu Beginn technisch verstärkt, ehe er wohlklingend 'unplugged' aus dem Bauch der Lokomotive seine Warnung an Siegfried weiter geben kann.

So findet man in dieser leicht-locker wirkenden Inszenierung im Gesamtkonzept des neuen Düsseldorfer Rings eine angenehme, wohltuende Atmosphäre. Wie das ausgeht, darauf darf man in Düsseldorf gespannt sein.


DIE WALKÜRE

1-18 | Mit einer glänzenden Fortsetzung wird in Düsseldorf am Rhein an Wagners neuer Ring-Inszenierung geschmiedet. Dietrich Hilsdorf konnte diesmal auf die Erfahrungen seiner ersten Inszenierung in Essen bauen und in dem Bühnenbild von Dieter Richter seine sehr präzise Sicht auf Wagners Werk fortführen und umsetzen.
Von der Rheingold - Varieté - Bühne ist in Richters wunderschönen Ausstattung das bunte Lampen-Portal übrig geblieben. Nur beim Feuerzauber werden die Birnen bunt; ansonsten leuchten dort kalte weiße Neonröhren. Kriegsgrau mit viel Beton beherrscht den Raum, der einem Militärbunker ähnelt und sich während des Geschehens kaum ändert. Neben Hundings Herd mit echtem Feuer ist im Hintergrund eine Säule für das Schwert; vorne links befindet sich eine lange Tischtafel mit Stühlen, auf der im dritten Akt Leuchter mit echtem Kerzenschein das Bild dominieren. Durch hohe Fenster im Hintergrund sieht man später Loges Feuer. Vorne gibt es Kisten mit Waffen, an der sich auch Siegmund zu schaffen macht.

Hilsdorf genaue Personenführung fällt wieder angenehm auf. Nach den ersten Takten wird klar, daß Sieglinde und Hunding nichts gemein haben. Umso offensichtlicher für alle, wie zärtlich-freundlich sie gleich mit dem fremden Gast umgeht.
Nahezu genial ist seine Personenkonstellation zu Beginn des 2.Aktes. Die ganze Wotan-Familie sitzt gemeinsam mit einigen Walküren an der Tafel; Sieglinde ist hochschwanger. Hunding sieht seine Chance, als Fricka dazu kommt. Es entsteht Spannung, wenn bei Frickas Vorwürfen Siegmund dabei ist und er durch Wotans Erklärungen merkt, daß er nur Spielball von machtpolitischen Interessen ist.

Der dritte Akt beginnt mit einer Erinnerung ans Kino, wenn man vor dem ersten Takt des Walkürenritts Hubschraubergetöse hört. Auf der Bühne sieht man dann einen leicht defekten Hubschrauber, aus dem die toten Helden kommen. Die Personenregie bei der Walküren-Schar ist wieder meisterlich.

Linda Watson ist die Titelfigur und es ist ein Genuß, diese starke Sängerpersönlichkeit mit ihrem Erfahrungspotential für diese Rolle zu erleben. Ausgestattet mit einer satten Mittellage ist ihre Stimme immer noch nahezu ideal für die Brünnhilde. Simon Neal ist der Göttervater; seinem hellen Bariton machen auch die tiefen Stellen vor allem in der Erzählung des 2.Aktes keine Probleme. Dazu kann er die Intentionen der Regie mit differenziertem Spiel sehr gut umsetzen und den Wotan zur zentralen Figur der Handlung machen.

Corby Welch ist ein ausgezeichneter Siegmund; er setzt seine hell timbrierte Stimme immer sicher ein und gestaltet einen jungen ausgestoßenen Menschen, der durch Sieglinde wieder Hoffnung schöpft. Elisabet Strid als Sieglinde kann ihren hellen, schön timbrierten Sopran voll entfalten und ist auch optisch eine zerbrechliche Wälsungentochter.

Sami Luttinen ist ein Hunding, der sich nur durch Waffengewalt durchsetzen kann; als Sieglindes Ehemann versagt er. Seine große Bass-Stimme setzt er mit Wohlklang ein, ohne bedrohlich schwarze Tiefe erzeugen zu müssen. Renée Morloc als Fricka besticht mit durchdringend vokalen und spielerischem Einsatz mit ihrer hellen Mezzostimme; einige Ausflüge in die Tiefe waren gewöhnungsbedürftig. Das Damenoktett im dritten Akt glänzte durch Kraft und Ausgewogenheit in Klang und Spiel.

Die Düsseldorfer Symphoniker unter Axel Kober deckten die Sänger nie zu. Auch bei den langsamen Tempi folgten die Sänger sicher und die Spannung der Partitur wurde wunderbar ausgespielt.

Walküre-Interessenten haben nun die Möglichkeit, die erste und zweite Inszenierung von Dietrich Hilsdorf kennen zu lernen. Das Aalto-Theater zu Essen wird in einer durchaus hörenswerten Besetzung am 30.6.18 wieder dieses Wagnerwerk aufnehmen. Da kann man mit Sicherheit schön vergleichen. Man sollte beide Aufführungen nicht versäumen.


DAS RHEINGOLD

6-17|An der Deutschen Oper am Rhein durfte ich noch Astrid Varnay als Brünnhilde oder Hans Hopf als Siegfried erleben. Danach gab es den Horres-Ring als Koproduktion mit der Oper Köln; Gabriele Schnaut und Wolfgang Schmidt waren dabei, um nur einige Erinnerungen aufzufrischen. Aber das ging ja gar nicht, daß beide Rhein-Opernhäuser den gleichen Ring hatten. Köln hat ihn schnell durch eine neue Inszenierung ersetzt; Düsseldorf-Duisburg hat diese Produktion noch lange gehalten; leider durften allzu viele Spielleiter sich an der Inszenierung von Kurt Horres versuchen.

Dietrich Hilsdorf entwickelt nun eine Neuproduktion am Rhein für die Häuser Düsseldorf und Duisburg. In Zusammenarbeit mit seinem Bühnenbildner Dieter Richter entstand ein so genauer, lustiger, phantasievoller und spannender Vorabend zu Wagners Trilogie, daß man voller Vorfreude gespannt sein darf auf die weiteren Werke.

Die Düsseldorfer Symphoniker wurden von Axel Kober umsichtig, packend, immer auch mit musiktheatralischem Blick für die Bühne geleitet. Die üblichen Patzer fehlten so gut wie, die für mich noch neue Akustik im umgebauten ehrwürdigen Saal ermöglichte ein musikalischen Genuß, zu dem natürlich die Sänger|innen ihren Anteil hatten, denn sie wurden vom Orchesterklang kaum übertönt.

Allen voran sind Simon Neal als Wotan und Michael Kraus als Alberich zu loben. Selten habe zwei so gute Sänger-Darsteller erlebt, die den Intentionen des Regisseurs folgten, sie auch mit musikalischem Leben erfüllten. Norbert Ernst, ein international und Bayreuth erfahrener Loge, konnte auch in Düsseldorf sich in diese Reihe einordnen. Bereits vor dem es-Dur-Vorspiel des ersten Bildes zitierte er Heinrich Heine mit "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten..." und betont das es mehrfach. Ein Schelm, der sich etwas dabei denkt.

Aber auch die anderen Kollegen beeindrucken. So Cornel Frey als Nibelungenbruder Mime oder mit eindrucksvoller Stimme Bogdan Talos als Riese Fafner. Die Rheintöchter glänzten mit Anke Krabbe (Woglinde), Maria Kataeva (Wellgunde) und Ramona Zaharia (Flosshilde). Warum aber Susan McLean als Erda besetzt wurde, bleibt ein Geheimnis des Düsseldorfer Hauses; da hätte die Flosshilde doch besser eine Doppelrolle bekommen sollen. Zur Überraschung wird Susan McLean als 3.Norn angekündigt.

Dieter Richter baut zur Handlung ein zweites Bühnenportal mit Glühlampen und rotem Vorhang, das für jedes Varieté-Bühne gut stünde; dort entwickelt sich dann auch der Regenbogen. In dem dahinter befindlichen Raum stehen runde Spieltische unterschiedlicher Größe, an denen auch um die Welt gespielt wird. Eine Feuertreppe führt links nach oben, auf der die Rheintöchter ihr Spiel mit Alberich treiben. Ein Fenster im Hintergrund bietet eine besondere Tiefe des Raumes. Dort wird oft die davor spielende Szene als Film parallel gezeigt.
In Nibelheim durchbrechen schwere Transportloren mit dem gewonnen Rheingold die Wände. Herrlich, wenn aus diesen Loren das Gold vor Freia einfach ausgekippt wird, um die kniende Göttin von den Riesen auszulösen. Als das immer noch nicht langt, drückt Wotan seine Tochter nach unten, damit man sie nicht mehr sieht.
Grundsätzlich sind alle als problematisch zu sehenden szenisch-technischen Probleme Dank des Einheits-Raumes sehr gut gelöst. Hinter den fahrenden Loren geschieht Alberichs Verwandlung zum Drachen und zur Kröte. Der Drache guckt nur mal kurz durch die Decke von oben auf das Geschehen. Hinter einem Spieltisch verliert Alberich seinen Ringfinger.

Hilsdorf Regie ist sehr genau und die Sänger lassen sich von seiner Personenführung zu Höchstleistung inspirieren; die Charakterzeichnung der einzelnen Personen und die Umsetzung ist schon überwältigend. Es wird detailliert die Geschichte vom Rheingold, Raub und Fluch und den damit verknüpften Personen erzählt ohne aktualisierende Hinweise. Selten habe ich mich bei einem Rheingold so amüsiert wie jetzt in Düsseldorf; allein Frank Castorfs Deutung hat für mich gleichen Unterhaltungswert.

Ein wahnsinnig guter Einstand zum neuen Ring am Rhein. Da darf man sich auf die Fortsetzung schon jetzt freuen.


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ROMEO UND JULILA
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LA BOHÈME
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Oktober

DON GIOVANNI
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